In der lettischen Kultur spielt Musik eine übergeordnete gesellschaftliche Rolle, indem es der Region eine eindeutige Identität verleiht. Die neue Musikschule in Ventspils an der Ostsee versorgt die Region mit einem lange benötigten und bedeutenden Zentrum für die musikalische Lehre und ihre Aufführung.
Das Gebäude liegt am Lielais Laukums, einem wichtigen Treffpunkt städtischen Lebens. Die Grünanlagen, das Wasserspiel und der großzügige Platz wurden als Teil der weitreichenden Transformation des Stadtzentrums konzipiert. Diese neue städtische Landschaft bietet den markanten Gebäudeformen eine entsprechende Kulisse und bereichert das Besuchserlebnis.
Das charakteristische Dach beherbergt unterschiedliche Räume, innen wie außen, bietet Schutz vor den extremen Wetterverhältnissen und verleiht dem Gebäude ein unmittelbar erkennbares Erscheinungsbild als Wahrzeichen. Die Musikschule bietet eine Reihe unterschiedlicher, für die Öffentlichkeit zugängliche Aufführungsräume, wie einen 600 Sitzplätze fassenden, klassischen Konzertsaal, einen kleineren Theater Saal, eine Musikbibliothek und eine Außenbühne und Amphitheater. Unterschiedliche Backstage-Bereiche befinden sich auf drei Ebenen, welche die Bühne des Konzertsaals einfassen. Alle Innenräume wurden nach den höchsten akustischen Standards entwickelt mit Isolierungen, die zwei parallel stattfindende Aufführungen ungestört in den zwei Hallen zulassen. Das Raumerlebnis wird geprägt durch den Kontrast zwischen den einfachen geradlinigen Formen der Konzerthalle und den umschliessenden freigeformten Foyerflächen, die sich mit Balkonen und Terrassen zum Lielais Laukum öffnen. Die Foyers werden flankiert durch die Cafeteria, die Musikbibliothek, der Green Room, das Aufnahmestudio und zahlreiche Unterrichtsräume.
Ein bedeutendes Merkmal der Konzerthalle ist die markante Orgel, die in Zusammenarbeit mit Orgelbau Klais entworfen wurde. Ein innovatives Energiekonzept kombiniert Erdkanäle, dezentrale Lüftungsgeräte und umfassende Wärmerückgewinnung mit hoher Laufstabilität, um die Betriebskosten bedeutend zu senken. Das Gebäude kann je nach Witterung natürlich belüftet werden. Das große Oberlicht ermöglicht es die Konzerthalle natürlich zu belichten.
Die Eröffnung der Konzerthalle wurde mit einer Konzertserie im Sommer 2019 gefeiert. Das Eröffnungskonzert, aufgeführt von dem Natiobal Symphony Orchestra, dem Latvian State Choir mit Raimund Pauls und Iveta Apkalna, wurde live im Radio und Fernsehen übertragen.
Basierend auf einem Orgeltypus deutschen Ursprungs wurde in enger Abstimmung zwischen Iveta Apkalna und Orgelbau Klais ein Konzept entwickelt, welches für diese Ausbildungsstätte in Ventspils ein möglichst breit angelegtes Spektrum an Orgelliteratur in der Darstellung ermöglicht.
Ganz bewusst wurde auf ein französisch inspiriertes Konzept mit hinterständigem Recit und differenzierten Winddrücken für Bass und Diskant im Hinblick auf die sehr trockene Raumakustik und die Möglichkeit zur Darstellung von Musik unterschiedlicher Kulturkreise verzichtet. Das Konzept basiert auf einem aus dem deutschen Barock weiterentwickelten Grundbestand, welches die Darstellung einer breiten Musiziertradition ermöglicht ohne zu stark in einer Richtung einzuschränken. Das grundsätzlich zweimanualige Konzept unterteilt in Hauptwerk und Schwellwerk (Schwellwerk deutscher Tradition als dynamisiertes Oberwerk) wurde um Stimmen erweitert, welche es durch eine Einzeltonsteuerung ermöglichen, Farbkombinationen ohne Einschränkung direkt anzusteuern. Somit kann auf festlegende Koppeln oder Ähnliches verzichtet werden.
Die Anlage der Orgel sieht daher die Platzierung von Hauptwerk und Schwellwerk (weiterentwickeltes Oberwerk) im Zentrum der Orgel vertikal übereinander angeordnet mit optimal kurzen mechanischen Trakturen vor, welches von den auf Einzeltonladen stehenden Klangerweiterungen eingerahmt wird. Auf der Ebene des Spieltisches sind neben den tiefen Pfeifen des Großpedals und den beiden mechanischen Traktursträngen für Hauptwerk und Schwellwerk die großzügigen Doppelfaltenbälge für die Manualwerke und die Einzeltonladen angeordnet. In einem Raum unmittelbar unter der Orgelkammer findet das Gebläse und der große Hauptmagazinbalg seinen Raum.
Das Schwellwerk erhält Schwelltüren nach vorne sowie zu den Seiten, wobei letztere Türen nach hinten öffnen, um bei Bewegung eine indirekte Klangentfaltung und Klangtiefe zu gewährleisten. Gleichzeitig wird durch die gewählte Anordnung des Schwellwerkes in Verbindung mit der Vielzahl von Schwellöffnungen eine optimale Abstrahlung der Feincharakteristik der Schwellwerksstimmen möglich.
Das erarbeitete Konzept ist darauf ausgerichtet, basierend auf einem klaren zweimanualigen klassischen Grundbestand im Hinblick auf den zur Verfügung stehenden Raum und die Aufgabenstellung als Schulinstrument einen Lösungsansatz zu präsentieren, der auf den Traditionen der Vergangenheit basiert und gleichzeitig Möglichkeiten bietet, die musikalische Zukunft zu gestalten. Hier bietet insbesondere die Einzeltonsteuerung, die Möglichkeiten der differenzierten Teiltonstimmen und die Winddynamiksteuerungen sowie die über das Sinua System möglichen Anspracheverzögerungen eine Vielzahl von Möglichkeiten, die gerade in jüngster Zeit zeitgenössische Komponisten zu neuen Arbeiten für die Orgel inspirieren.